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Weinrallye #25 – Wie Literatur entsteht, oder making of Weinlyrik

Die 25. Ausgabe der Weinrallye wird vom Blog des Weingutes Steffens-Keß durchgeführt, Ein aussergewöhnlcihes Thema das von den Teilnehmern abverlangt wurde, aber gleichzeitig eine wunderbare Möglichkeit einmal völlig andere Erfahrungen zu sammeln.

Bereits im Vorfeld, als ich es mit Mikel klar machte das wir gemeinsam an diesem Weinrallyebeitrag arbeiten wollten umwehte mich der Hauch des künstlerischen. Ich würde Kunst machen, oder zumindest ein Teil davon sein. Das beeindruckte mich und tut es noch immer. Es ist ein schönes Gefühl Teil von etwas kreativem zu sein, jenseits dessem was ich sonst tue. Somit handelt mein Beitrag zu dieser literarischen oder filmischen Weinrallye davon wie Lyrik zum Wein entsteht.

Ich dachte ja wir würden an den ganzen literarischen Kultstätten entlang wandern die Heidelberg zu bieten hat. Mikel würde mir jeweils erklären wo welcher Literat gewirkt, gelebt und geschrieben hat.

Guck und hier hat der Goethe gewohnt, hier zu Mittag gegessen und dort hat er den vorzüglichen und bekömmlichen Heidelberger Wein genossen.

Ja so stellte ich mir das vor. Der Literat erklärt dem Nichtliterat die Welt der Literaten. Es kam anders.

Was geschah läßt sich nur schwer in Worte fassen, ich würde es so versuchen, Mikel und ich wurden selbst zum Kunstwerk.

Aus uns wurde eine künstlerische Installation mit dem Namen:

Eingeborene Schlossbewohner trinken Wein und schreiben

Das Kunstwerk zeigt 2 Eingeborene wie sie sich in ihrer Muttersprache, gemütlich sitzend, offensichtlich vergnügt und lebhaft unterhalten. Eingebunden in die malerische Umgebung des Heidelberger Schlosses wirkt die Szene so als wäre sie lebendig und nicht gestellt. Die eine Figur sitzt da und geniesst ein Glas Wein, wobei sie lächelnd , in schönen Gedanken schwelgend ihren Blick nach unten auf den der Figur zu Füssen liegenden Hund gleiten läßt. Diese Szene hat das Potential berühmt zu werden, zeigt sie doch einen Menschen in einer Alltagssituation (Wein trinken) auf dem Heidelberger Schloss.

Neben ihm, auf gleicher Höhe hat der Künstler eine ebenfalls imposante Persönlichkeit gesetzt, einen Lyriker!  Mit scharfem Blick analysierend, seine Umgebung erfassend, lauscht er den Weinbeschreibungen seines Nachbarn und scheint daraus seine  Inspiration zu ziehen um spontan lyrische Verse zu verfassen. Der Stift hüpft scheinbar flink und ohne abzusetzen über das Papier und hinterläßt wie zufällig eine deutlich lesbare Spur.

Die Schlosstouristen betrachten fasziniert diese Installation, sie sind sich nicht sicher ist es echt oder unecht? Trinken die Wein oder tun die nur so? Sind das Schlossbewohner oder sind das Schauspieler? Warum ist der Hund so brav? Was schreibt der Mann da? Trinken die den ganzen Wein alleine? Fragen über Fragen, die meisten begnügen sich damit die Istallation wortlos zu fotografieren und somit dieses Kunstwerk des öffentlichen weinlyrischen Trinkgenusses für die Nachwelt zu dokumentieren.

Der erste Wein: 2007er JUNO Cape Maidens Rosé – Südafrika

Die Lyrik zum Wein:

Kleine Mädchen

fahren Brüste

Rad in dürre

Weine Augen blitzen lichterloh

Was sagt dieser Vers über den Wein? Vermeintlich meint man die Trockenheit zu schmecken die die Trauben geplagt haben als sie noch am Stock hingen im fernen Südafrika. Ein Wein der im Gegensatz zu einem schönen Buch, einem Gedicht nichts, absolut nichts zu erzählen hat. Keine Geschichte von Aroma, keine Gerüche von Obst, oder in die Nase steigende Gewürze. Nichts von alledem, gähnende Leere, darum belassen wir es dabei, der Wein hat nichts zu erzählen,  ausser von der Dürre die er erlebt hat als er noch Traube war. Ein Qual von Geburt bis zum Tode.

Die Künstler der Installation sind eindeutig der Mittelpunkt des touristischen Geschehens auf dem Heidelberger Schloss. Mit einem Amerikaner kam folgende kleine Konversation zu stande:

Ami: Would you mind if I take a picture of you

Wir fragen kurz und knapp: why?

Ami: Of course it is quiet strange sitting here in the public and drinking wine?

Wir: No it is not strange drinking wine in the Heidelberg castle, just 50 meters away from here you will find the worlds biggest ever used winebarrel!! So drinking wine can’t be strange here at this place!

Ami: Yeah you are right, but still it is strange. You know?

Na ja, irgendwie haben ihn unsere Antworten nicht befriedigt, uns gaben sie allerdings einen Ausblick darauf wie es einmal sein wird in unserem Lande wenn alle Verbote des Alkohol trinkens in der Öffentlichkeit greifen. Auch für Eingeborene unseres Landes wird es dann etwas kurioses sein Menschen zu sehen wie sie Alkoholhaltige Getränke konsumieren wie wir es taten  mit dem Wein.

Wein Nr. 2: 1968er Badenweiler Römerberg Gewürztraminer Naturrein

Die Lyrik zum Wein:

Badenweiler
Den Göbbels
endgültig die
Hauptstraße hinunter
gejagt
gewürzt
und heute
sherrysiert
zum kochen
verdaut

Ja, dem Lyriker ist hier deutlich mehr eingefallen als zum Rosé!!

kein Wunder, wir haben im Glas einen sehr betagten Wein, dessen äusserer Zustand der Flasche allerdings schon erheblich Zweifel aufkommen liessen ob denn der Inhalt noch in der Lage sein könnte uns Spass zu bereiten.

Es war kein Spass! Der Wein war müde, der Wein hat alle seine Geschichten erzählt und hatte nicht mehr die Kraf sie ein letztes mal zu erzählen. Ich erlöste den Wein von seiner Pein indem ich ihn stilgerecht in einen Gulli des Heidelberger Schlosses entleerte. Und dann, ganz zum Schluss kam doch noch einmal leben zurück in den Wein. Das ausgiessen entlockte ihm noch ein letztes wohliges glucksen, ein kichern und gluckern, ein letztes winken in die Runde der zahlreichen Zuschauer!! Dann war er weg. Hätte es ein besseres Ende für diesen Wein geben können? Verkostet, verlyrikt, verschüttet in einem Schlossgulli?

Aber nein, der Wein war nicht wirklich schlecht, gemessen an so mancher billigen Plörre die die Generation der 68er heute produziert war das ein guter Wein. Aber von Gewürztraminer war nichts mehr zu spüren, vermutlich schon vor Jahren haben die letzen Aromen über den undichten Korken die Flasche verlassen und das weite gesucht. Was ist ein Gewürztraminer ohne Aroma? Was bleibt dann übrig? Eine bloße leere Hülle die nur noch den reinen Oxidationsaromen Raum geben, Dumpfe Aromen die sich dort entfalten wo sie eigentlich ncihts verloren haben, im Wein! Aber deswegen gleich in den Schlossgulli mit dem Wein?

Es sit doch so, auch Literatur endet nicht immer glücklich! Oder? Wie oft habe ich mich schon über unhappyends aufgeregt Das Ende des Weines im Schlossgulli schmälert ja nicht sein Lebenswerk, im Gegenteil, das Ende dieses Weines haben mehr Menschen miterlebt als manche Beerdigung vereinsamter Menschen!!

Um ganz sicher zu gehen habe ich natürlich noch einen Wein in meinen Rucksack gepackt von dem ich wußte das er zumindest mir gut schmeckt und der aufgrund geografischer Begebenheiten einfach mit auf das Schloss mußte.

Wein Nr.3: 2007er Riesling Spätlese halbtrocken, gewachsen in der Weinlage Heidelberger Sonnenseite ob der Bruck.

Es ist Weinen selten vergönnt noch einmal an die Stätte ihres wachsens und gedeihens zurückzukehren. Dieser Wein durfte zumindest nochmal einen Blick auf seine Alte Heimat erhaschen. Gegenüber des Heidelberger Schlosses wächst dieser Wein und ist daher natürlcih schon alleine deswegen etwas Besonderes.

Der Wein ist rassig, elegant mit kristallklaren Aromen von reifem Pfirsich und ein bisschen Aprikose. Sorry, aber es ist so!! Die Säure ist schön abgefangen von einer feinen natürlichen Süße die uns im Gaumen gemeinsam mit der Säure ein so herrlichen Kitzel bereiten das man kichern möchte.

Kichern ja, das tat das Mädel mit dem Blümchen im Haar welches sich unbemerkt an uns heranschlich und plötzlich hinter uns stand damit die Freunin auf den Auslöser der Kamera drücken konnte. Mikel und ich konnten nur staunen!! Die Kamera wurde gewechselt und das andere girl schlich sich an uns heran. Na ja, wir taten so als ob wir nichts merkten, hatten ja unseren Spass dabei und ausserdem den Wein!!

so deutsch
und?
Riesling
ob der Bruck
so deutsch
so gut
so Riesling
Heidelberg
Du feine

Für mich ist dieser Wein das Paradebeispiel für deutschen Wein schlechthin. Seine Stilistik, seine Aromatik, alles ist so wunderbar deutsch, so typisch, kraftvoll und doch dezent, fein und zart zugleich. Nur Riesling kann das!! Ja, wen wundert es, dies ist der einzige Wein der letztendlich komplett getrunken wurde Und natürlich hat schon Goethe Weine dieser Weinlage abgöttisch geliebt!!

Ja, das war sie meine Erfahrung mit Literatur und Wein. Es hat mir wahnsinnig viel Spass bereitet, und ich gebe zu, es hat in mir so ein bisschen die Lust auf eine künstlerische Installtion im Heidelberger Schloss geweckt. Ich werde dort definitv einmal nachfragen ob die nicht den Job eines „Einheimischen“ oder „Eingeborenen“ zu vergeben haben.

Mein Partner der künstlerischen Installation Mikel Bauer Teil 1 und Teil 2

Weitere Bilder zu dieser Aktion auf meinem Flickr Account

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